„Shout“ erschien am 23. November 1984 als zweite Single aus „Songs from the Big Chair“, dem Durchbruchsalbum von Tears For Fears. Geschrieben von Roland Orzabal und Ian Stanley und produziert von Chris Hughes, war der Song von der Primärtherapie inspiriert – einer von Arthur Janov entwickelten psychologischen Methode, die Patienten dazu ermutigt, unterdrückte Emotionen durch Schreien freizusetzen. Orzabal beschrieb den Track als „ein einfaches Lied über Protest“ und sah ihn ursprünglich als Albumtitel. Doch Stanley und Hughes beharrten darauf, dass er das Potenzial eines Welthits habe – und sie hatten Recht.
Lass alles raus
Der Refrain – „ Shout, shout, let it all out “ – ist direkt, repetitiv und emotional aufgeladen. Er ist nicht subtil, und genau das ist der Punkt. Das Lied fordert die Zuhörer auf, ihre Gefühle nicht mehr zu unterdrücken und sich den Systemen und Menschen entgegenzustellen, die sie zum Schweigen bringen. Die Strophen gehen tiefer, mit Zeilen wie „ Sie gaben dir das Leben, und im Gegenzug gabst du ihnen die Hölle “, die Selbstgefälligkeit und Kontrolle anprangern. Orzabals Gesang ist scharf und unerschütterlich, unterstützt von Curt Smith in den Harmonien.
Großer Sound, größere Absicht
Musikalisch ist „Shout“ ein echter Hit. Es beginnt mit einem Loop aus einem E-mu-Drumulator, baut sich mit Synthie-Drones und Powerchords auf und enthält ein für die damalige Zeit seltenes Gitarrensolo, das der ausgefeilten Produktion eine raue Note verleiht. Der Track folgt einer I–♭VI–IV–I-Akkordfolge, die ihm ein hypnotisches, hymnisches Feeling verleiht. Hughes‘ Produktion balanciert Bombast mit Klarheit – jeder Beat haut rein, lässt aber der Mix Raum für die Botschaft.
Chart-Performance
„Shout“ wurde einer der größten Hits des Jahres 1985. Am 3. August 1985 erreichte es Platz 1 der Billboard Hot 100 und blieb dort drei Wochen lang. Auch in Australien, Belgien, Kanada, Deutschland, den Niederlanden, Neuseeland, der Schweiz und Cash Box führte es die Charts an. In Großbritannien erreichte es Platz 4 und wurde damit der vierte Top-5-Hit der Band. Der Song erhielt Gold in den USA, Großbritannien, Spanien und Brasilien sowie Platin in Kanada.
Musikvideo und Visuals
Das von Nigel Dick gedrehte Video zeigt Orzabal und Smith bei einem Auftritt in Durdle Door an der Küste von Dorset, unterbrochen von Studioaufnahmen der gesamten Band – darunter Ian Stanley und Manny Elias – bei einem Auftritt vor Familie und Freunden. Die stimmungsvollen Bilder des Videos und die starke Ausstrahlung auf MTV trugen dazu bei, Tears For Fears in Nordamerika zu etablieren, ebenso wie ihr Clip zu „Everybody Wants to Rule the World“.
Kulturelle Auswirkungen und Erbe
„Shout“ wurde zur prägenden Hymne der Second British Invasion und trug dazu bei, die Position der Linn LM-1 Drum Machine als Kraftpaket im 80er-Jahre-Pop zu etablieren. Es war zwar nicht der erste Nummer-1-Hit mit der LM-1 – frühere Songs wie „Don’t You Want Me“ von The Human League ebneten den Weg –, aber er demonstrierte, wie synthetische Percussion einen Track voller emotionaler Intensität vorantreiben kann. „Shout“ machte den Sound zum Mainstream und bewies, dass programmierte Beats genauso kraftvoll dröhnen können wie Live-Drums. Der Einfluss des Songs spiegelte sich in späteren Tracks von Künstlern wie Prince und Peter Gabriel wider, die alle den Rhythmus für das digitale Zeitalter neu interpretierten.
Orzabal sagte später, das Lied habe einen Wandel von der persönlichen Selbstbeobachtung hin zur gesellschaftlichen Kritik markiert. Und auch Jahrzehnte später ist seine Botschaft noch immer aktuell: Behalte es nicht für dich. Lass es raus.
„Shout“ ist nicht nur ein Hit – es ist ein Ventil. Es ist der Klang von Frustration, der in Rhythmus verwandelt wird, von Protest, verpackt in Synthesizer. Und er hallt noch immer nach, laut und deutlich.
Quelle: TV80s