Im Juli 1981 veröffentlichte das britische Duo Soft Cell „Tainted Love“ – ein düsteres, minimalistisches Cover eines vergessenen Soul-Tracks aus den 60ern, das schließlich zu ihrem größten Hit wurde. Was als Kult in Northern-Soul-Kreisen begann, entwickelte sich zu einer düsteren, elektronischen Hymne, die die Isolation und emotionale Rohheit der frühen 80er einfing.
Der Track wurde ursprünglich von Ed Cobb geschrieben und 1964 von Gloria Jones aufgenommen. 1965 erschien er als B-Seite von „My Bad Boy’s Comin‘ Home“. Jones‘ schwungvolle Soul-Version schaffte es zwar nicht in die Charts, erlebte aber in den 70er-Jahren in der britischen Northern-Soul-Szene neues Leben, insbesondere in Clubs wie dem Wigan Casino. Soft Cell – bestehend aus Marc Almond am Gesang und David Ball an den Synthesizern – entdeckten ihn beim Stöbern in Plattenkisten und verpassten ihm eine komplette Überarbeitung.
Der Motown-Schwung war verschwunden; stattdessen bauten sie ein Synthie-Pop-Gerüst aus Drum Machines, spärlichen Texturen und gedämpfter Spannung. Almonds dramatische Darbietung verlieh den Texten, die von einer toxischen, zermürbenden Beziehung handeln, eine emotionale Note –
“Sometimes I feel I’ve got to / Run away…” Die Distanziertheit in seiner Stimme verstärkt das Thema der Ernüchterung nur noch.
Der Klang emotionalen Rückzugs
Soft Cell haben den Song nicht einfach nur neu aufgelegt – sie haben ihn neu interpretiert. Ball änderte die Tonart von C auf G und überarbeitete die Struktur, um den Song zu verlangsamen und zu entblößen. Das Arrangement war krass: elektronische Beats, stimmungsvolle Synthie-Pads und ein hypnotischer Rhythmus. Es wirkte kalt, klinisch und herzzerreißend ehrlich.
Die 12-Zoll-Version sorgte für noch mehr Dramatik, indem sie sich in ein Cover von „Where Did Our Love Go“ von The Supremes verwandelte und so ein Medley schuf, das aus einer Trennungshymne einen Handlungsbogen emotionaler Erosion machte.
Chartperformance und globale Reichweite
Die Single erreichte Platz 1 in Großbritannien, blieb dort zwei Wochen und wurde zur meistverkauften Single des Jahres 1981 – bis dieser Titel Jahrzehnte später neu vergeben wurde. In den USA erreichte sie Platz 8 der Billboard Hot 100 und blieb 43 Wochen in den Charts, was damals einen Rekord für die längste Verweildauer darstellte. Auch in Australien, Kanada, Deutschland, Belgien und Südafrika erreichte der Song Platz 1 und schaffte es in Europa in Frankreich, Irland, Spanien, Schweden und Neuseeland in die Top 5.
Sein Erfolg trug dazu bei, Soft Cells Debütalbum Non-Stop Erotic Cabaret voranzutreiben, das auch Hits wie „ Bedsitter “ und „ Say Hello, Wave Goodbye “ enthielt.
Visuals: Surrealismus trifft Camp und kosmische Melancholie
Das ursprüngliche Musikvideo von 1981 war stark theatralisch-surrealistisch. Unter der Regie von Tim Pope trifft David Ball, der als Cricketspieler verkleidet ist, zufällig auf Marc Almond in einer Toga, der auf einer Art Olymp thront. Almond schlüpft in die Rolle einer mythischen Figur – möglicherweise Marc Anton –, begleitet von der jungen Kleopatra. Das Bühnenbild ist bewusst übertrieben, mit vielschichtiger Symbolik, traumhaften Kostümen und einer respektlosen visuellen Erzählung, die im Kontrast zur emotionalen Zurückhaltung des Songs steht.
1991, sieben Jahre nach der Auflösung von Soft Cell, erschien eine Remix-Version des Songs mit einem neuen Video unter der Regie von Peter Christopherson von Hipgnosis. In dieser Version ist ein Mann zu sehen, der ruhelos durch die Nacht wandelt, verfolgt von tanzenden Sternenerscheinungen, während Almond nur vom Hals aufwärts zu sehen ist und wie ein kosmisches Orakel zwischen den Sternen singt. Die Bilder sind traumhaft und beunruhigend und verleihen dem düsteren Ton des Remixes eine zusätzliche psychologische Spannung.
Neuinterpretationen und Popkultur-Ruhm
Der Song erlebte nach seiner Veröffentlichung viele Leben. Rihanna sampelte ihn 2006 in ihrem Hit „SOS“ und Künstler wie Marilyn Manson, Coil, The Pussycat Dolls und Pale Waves coverten ihn. Er tauchte in Filmen wie „Coneheads“, „Mr. & Mrs. Smith“ und „La La Land“ sowie in Fernsehserien wie „Friends“ und „The Americans“ auf. Sogar Spike Jonze drehte einen Levi’s-Werbespot, in dem der Song verwendet wurde – ein Spot, der eine Emmy-Nominierung einbrachte.
Die Version von Soft Cell verkaufte sich in Großbritannien schließlich über 1,35 Millionen Mal und wurde mit Platin ausgezeichnet. Sie wurde als eines der besten Cover aller Zeiten gefeiert und 2021 offiziell zu einer der meistverkauften Singles der 80er Jahre in Großbritannien aller Zeiten.
Vermächtnis: Der One-Hit, der zu tief traf
Obwohl Soft Cell auch andere britische Hits hatten, wurde „Tainted Love“ zu ihrem weltweiten Markenzeichen und sicherte ihnen einen Platz auf VH1s 100 größten One-Hit-Wondern der 80er (Platz 5) sowie hohe Platzierungen in Umfragen zu den beliebtesten Chart-Toppern. Der Song vereinte herzzerreißenden Soul mit eisigen Synthesizer-Klängen und definierte die Möglichkeiten eines Covers neu – und erinnerte alle daran, dass weniger manchmal nicht einfach mehr ist … es kann emotional verheerend sein.
Quelle: TV80s