Falco –
„Coming Home“ (Jeanny – Teil 2, Ein Jahr danach)
Oktober 1986

Im Oktober 1986 veröffentlichte Falco, auf der Welle der Kontroversen und Neugier, die „ Jeanny “ ausgelöst hatte, die eindringliche Fortsetzung: „Coming Home (Jeanny Part 2, Ein Jahr danach)“. Der Titel bedeutet übersetzt „Ein Jahr später“ und knüpft an die psychologischen Fäden des ersten Songs an. Anstatt das Rätsel zu lösen, legte Falco noch einen drauf und führte die Zuhörer tiefer in die emotionalen Folgen, die öffentliche Kritik und eine verzerrte Moral.

Der Titel erschien auf Falcos viertem Studioalbum „Emotional“ und wurde schnell zu einer kulturellen Sensation. „Coming Home“, erneut produziert von Rob & Ferdi Bolland, bewies, dass die Jeanny-Saga nicht nur umstritten, sondern auch absolut fesselnd war.

Zurück in den Nebel

Musikalisch greift „Coming Home“ die schaurige Ästhetik seines Vorgängers auf: Synthesizer-lastig, filmisch und atmosphärisch. Doch es fügt noch mehr Erhabenheit hinzu – orchestrale Anklänge, Gitarrenakzente und eine melodischere Struktur, die den Hörer wie die Musik eines Noir-Films in ihren Bann zieht.

Falco wechselt zwischen seinem typischen Sprechgesang und sanftem, melancholischem Gesang und spiegelt so perfekt die sich drehende Innenwelt des Protagonisten wider. Der Sound ist geschliffen, aber dennoch zutiefst unruhig und balanciert zwischen Pop-Eingängigkeit und dramatischer Spannung.

Falco – Coming Home (Jeanny Part 2, Ein Jahr Danach) – Offizielles Musikvideo

Ein Porträt von Scham, Trauer und Besessenheit

Die Erzählung entfaltet sich aus der Sicht des Mannes, der zuvor mit – oder über – Jeanny gesprochen hat. Es ist unklar, ob Jeanny lebt, verschwunden ist oder eine Einbildung der Erinnerung. Zeilen wie

„ Ihr habt mich verurteilt “ lässt darauf schließen, dass der Mann gesellschaftlicher Verfolgung ausgesetzt ist und nicht nur von dem, was passiert ist, verfolgt wird, sondern auch davon, wie die Welt ihn jetzt sieht.

In diesem Teil der Geschichte geht es weniger um das Verbrechen, sondern vielmehr um emotionale Isolation, Scham und eine Öffentlichkeit, die nach Antworten lechzt. Die Zweideutigkeit bleibt bestehen – Falco weigert sich, die Dinge klar zu ordnen. Die Wirkung? Man spürt die Last eines sich auflösenden Geistes, nicht die Genugtuung eines gelösten Rätsels.

 Europa konnte nicht wegsehen

Trotz der anhaltenden Kontroverse wurde „Coming Home“ in ganz Europa ein Riesenerfolg. In Deutschland und der Schweiz kletterte der Film an die Spitze der Charts, blieb auch in Österreich stark, wo er bis auf Platz 4 kletterte, und feierte in Belgien, Norwegen und den Niederlanden beachtliche Erfolge. Die Faszination des Publikums für die Jeanny-Saga war ungebrochen – im Gegenteil, die Neugier war sogar noch gewachsen. Der Erfolg der Fortsetzung bestätigte, dass Falco mit seiner Erzählweise einen Nerv getroffen hatte, und die Fans waren offensichtlich bereit, ihm in noch düsterere emotionale Gefilde zu folgen.

Visuelle Hinweise und unheimliche Rückrufe

Das im Wiener Gasometer gedrehte Musikvideo versetzt Falco in einen surrealen, gefängnisähnlichen Raum und lässt Schuld, Gefangenschaft und psychische Spannung erahnen. Szenen erinnern an Hitchcocks Psycho, wobei Jeanny in fragmentarischen Rückblenden kurz auftaucht. Es ist keine Lösung – es ist ein weiterer Fiebertraum.

Teil 2 einer Pop-Mythologie

Obwohl „Coming Home“ nicht so viele Verbote wie Teil 1 auslöste, vertiefte es die emotionale Bandbreite der Jeanny-Saga. Es zeigte, dass Falco nicht nur auf Kontroversen aus war – er schuf eine vielschichtige, fortlaufende Erzählung, wie man sie im Pop selten sieht. Der grüblerische Ton des Songs, das mehrdeutige Ende und die filmische Umsetzung trugen dazu bei, Falcos Status als furchtloser Geschichtenerzähler zu festigen.

Jahre später wurde mit der posthumen Veröffentlichung „The Spirit Never Dies (Jeanny Final)“ ein inoffizielles drittes Kapitel hinzugefügt, das der Trilogie einen bittersüßen Epilog verlieh.

Doch „Coming Home“ bleibt das Herzstück der Saga – ein Blick auf Reue, Erinnerung und den Preis der Berühmtheit.

Quelle: TV80s